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„Die erst jüngst erfolgte großzügige Schenkung von 155 Zeichnungen Bruno Gironcolis ist für unsere Sammlung dieses großen österreichischen Bildhauers von hoher Bedeutung: sie ergänzt Gironcolis in der ALBERTINA bereits vorhandenes Schaffen, in welchem er sich mit den Grausamkeiten des Dritten Reichs und der Gaskammern in den Konzentrationslagern auseinandersetzt. Außerdem führen uns diese Kreidezeichnungen auch technisch einen völlig neuen, unbekannten Gironcoli vor.
Zeichnet dessen skulpturales Werk einen großen Ernst und eine formale Opulenz aus, so steht dem die Ironie der Minimalistin Toni Schmale gegenüber. Beide – Gironcoli wie Schmale – sind für mich die herausragenden BilderhauerInnen Ihrer jeweiligen Generation schlechthin. Jedes einzelne Objekt braucht Raum, Stille und Ruhe: einer der schönsten Bildhauer-Dialoge, die ich mir denken kann!“
Prof. Dr. Klaus Albrecht Schröder Generaldirektor der Albertina
Zwei Grenzgänger im Dialog
Der in den 1980er-Jahren über einen Zeitraum von sechs Jahren entstandene Zeichenzyklus ist eine in sich geschlossene Serie, die den Künstler zeigt, wie wir ihn kaum kennen. Die einzigartigen Buntstiftzeichnungen heben sich unverwechselbar von Gironcolis bekannteren Arbeiten ab. In feinster Ausführung strahlen sie eine unglaubliche Plastizität aus. Sie sind nicht nur Entwürfe für zukünftige Skulpturen, sondern erforschen vielmehr deren mögliche und unmögliche Zustände und Funktionen – unabhängig von Zeit und Raum.
In ähnlicher Weise wecken auch Toni Schmales eindrucksvolle Werke Assoziationen zu ihrem Zweck und Gebrauch. Die Intention der Künstlerin ist es, uns durch eigene gedankliche Überlegungen an Inhalt und Bedeutung heranzuführen. Titel, Form und Material ihrer Skulpturen weisen meist in verschiedene Richtungen und suggerieren eine Handlung oder menschliche Interaktion, während diese bei Gironcoli bis zur Fusion von Mensch und Technik führt.
Bruno Gironcolis Werke zeichnen sich durch eine unverkennbare Originalität aus, die sich oft jenseits der traditionellen Grenzen der Skulptur bewegt. Inspiriert von seinem Aufenthalt in Paris und beeinflusst von Künstlern wie Alberto Giacometti, entwickelte Gironcoli eine einzigartige Bildsprache, die menschliche Formen mit mechanischen und biomorphen Elementen verschmilzt. Nach Abschluss seiner Goldschmiedelehre in Innsbruck studiert er von 1957 bis 1962 an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Im Jahr 1977 tritt Gironcoli die Nachfolge von Fritz Wotruba als Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien an. Bruno Gironcolis Generation löst die klassische Bildhauerei in Stein ab und steht mit seinem Werk stellvertretend für eine veränderte Vorstellung von Skulptur.
Die präsentierten Zeichnungen stammen aus seinem originellen Zeichnungszyklus der 1980er Jahre. In diesen schematischen Entwurfszeichnungen erprobt er alles, was im realen Raum mit seinen physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht möglich ist, und findet auf diese Weise zu abstrusen, surrealen Anordnungen und hypothetischen Konstruktionen.
Objekte zwischen Sinnlichkeit, Leidenschaft und Humor Toni Schmale wird 1980 in Hamburg geboren. Nach einer Karriere als Profifußballspielerin von 1994 bis 2002 studiert sie zunächst Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und wechselt 2009 an die Akademie der bildenden Künste Wien. Silvia Eiblmayr schreibt 2015 über das Werk von Toni Schmale:
„Schmales Skulpturen oszillieren zwischen Alltagsgegenstand, Gerät, Maschine, Möbel oder Architekturdetail, und sie sind keines davon. Sie sind vielmehr eher Abstraktionen dieser jeweiligen Bezugsfiguren, aber zugleich sind sie höchst konkret in ihrer technoiden Präzision und unter die Haut gehenden Materialität, die mit einer merkwürdigen widerspenstigen Sinnlichkeit einhergeht.“
Ihre Skulpturen mit klarer Formensprache stehen in der Tradition der Minimal Art. Schmale vereint diese klare Formgebung mit einem körperorientierten, leidenschaftlichen und humorvollen Ansatz ihre Werke suggerieren häufig Eigenschaften, die dem jeweiligen Material eigentlich nicht eigen sind, wie Leichtigkeit, Flexibilität oder gezielte maschinelle Funktionen. Dennoch ist der Wunsch, Elemente zu bewegen oder zu verschieben, um deren spezifische Funktion zu offenbaren, präsent. Toni Schmale lebt und arbeitet heute in Wien.
Beide künstlerischen Positionen verbinden Gegensätzliches – Bekanntes und Erdachtes, Künstliches und Belebtes – und schaffen dadurch neue Bedeutungsträger. Ihre Werke entziehen sich einer konkreten Festlegung, einer eindeutigen Interpretation, und führen uns durch die Fragen, die wir an das Objekt stellen, letztlich zu uns selbst zurück.
FOTOCULT Blog by Glaphyra Gusenbauer
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