Die FOTOCULT Kameratests sind abseits der üblichen Labor und Techniktests. Hier finden Sie keine Analyse von Datenblättern, sondern Stories wie sich die Kameras im praktischen fotografischen Alltag bewährt haben. Eventuell auch durchmischt mit sehr persönlichen Erlebnissen. Die Liebhaber von Zahlen, Fakten und Datenblätter mögen mir verzeihen. Es geht hier um rein subjektive Praxistests.
Autor: Eric Berger
NIKON D4s
on Location in Valentia Island Irland
Eric Berger und Maximilian Lottmann:
Das Datenblatt verspricht ja einiges und die Haptik des Nikon Flaggschiffs mit 1100g Leergewicht ist auch mehr als professionell. Die Sicherheitsleute am Wiener Flughafen waren sich zumindest einig, mit so einer Kamera im Handgepäck muss ich wohl Profi sein. Aber dies war meine geringste Sorge nachdem ich nach einer stundenlangen Diskussion am Check In Schalter, das Fotomodell zurücklassen musste, in Ermangelung eines Visums. Wieder etwas, was es in der Rubrik Lehrgeld und Erfahrungen für mich abzulegen galt. Irland ist zwar EU aber als Non Schengen Land, eine europäische Aussengrenze. Also ging es vorab mal ohne Model zum Modeshooting nach Dublin.
Die Nikon D4s im Ausseneinsatz
Die Visagistin, welche aus München kommend, zu unserem Fototeam am Flughafen Dublin traf staunte nicht schlecht, als Sie erfuhr, dass unser Model in Wien am Abflug gehindert wurde, da der Verdacht bestand, dass „der irische Immigration Officer, die Einreise nicht erlauben würde“. Nachdem Sie aber nicht unverrichteter Dinge den Rückflug antreten durfte wurde Sie selbst kurzerhand zum Fotomodel berufen, aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es um eine andere Protagonistin, die Nikon D4s.
Die sechs stündige Autofahrt führte uns an den südwestlichsten Zipfel Irlands, nach Kerry. Genau genommen nach Valentia Island, eine Halbinsel, die ich in unzähligen Irlandaufenthalten lieb gewonnen habe. Auf dem Programm standen ein Shooting eines japanischen SUVs, ein Modeshooting und vier weiter Tage für konzeptionelle Arbeiten im Intensivkurs der LIK Akademie für Foto und Design. Die wilde Landschaft der abwechslungsreichen Atlantikküste dieses Teils von Irland sollte Kulisse sein für all unsere fotografischen Vorhaben. Da ich selbst bereits mehr als zwanzig mal in diesem Landstrich weilte waren natürlich einige Gustostückerl abseits ausgetretener Touristenpfade dabei. Von Anfang an war aber klar, dass hier Mensch und Material den Elementen trotzen mussten. Regengüsse waren an der Tagesordnung und die Gischt des Atlantiks wechselte sich ab mit dem durch böigen Wind aufgewirbelten feinen Sand der endlosen Dünen von Rossbeight Beach.
Eine fotografische Spielwiese, wie gemacht für einen ersten Praxistest des Flaggschiffs von Nikon, der D4s. Nach der Indoor Pressevorstellung in Wien nun eine wunderbare Gelegenheit bei der die Kamera on Location beweisen konnte was sie drauf hat. Von aussen ein echtes Profigerät mit inneren High End Verbesserungen. Das macht sie schon beim Auspacken klar, wenn man das Vollmetallgehäuse mit rund 1100 Gramm Leergewicht aus dem Karton befreit. Kommen dann noch der gigantische Akku EN-EL18a (CIPA-Reichweite: über 3.000 Aufnahmen), eine Speicherkarte sowie das Objektiv AF-S Nikkor 24–70 mm 1:2,8G ED hinzu, drückt die betriebsbereite D4S über 2,2 Kilogramm auf die Waage. Doch trotz dieser gehörigen Masse nimmt man die D4S überaus gerne in die Hand. Das Gehäuse aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung wirkt derart robust und solide, als ob man damit notfalls auch einen Nagel in die Wand hämmern könnte. Selbstredend, dass bei dieser Kamera für den harten Außeneinsatz alle Klappen, Schalter und Knöpfe sorgfältig gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet sind. Eine Abdichtung über die wir in dieser Woche mehr als froh waren. Der irische Sprühregen drang in jede Ritze unserer Kleidung, aber die Kamera funktionierte immer problemlos.
Die Nikon D4S braucht gerade mal eine Zehntelsekunde zum Einschalten. Genauso lange dauert es bis die Kamera scharf gestellt und ausgelöst hat. Selbst bei schlechtem Licht ist die Aufnahme nach zwölf Hundertstelsekunden im Kasten. Dieses enorme Tempo hält die Kamera auch bei langen Serien durch, je nach verwendeter Speicherkarte und gewählten Speicherformat sind bis zu 200 Bilder am Stück drin. Dazu braucht es allerdings teure XQD-Speicherkarten. Mit einer CF-Speicherkarte schießen Sie rund 90 Bilder im JPEG-Format oder knapp 40 RAW-Fotos in einer Serie. Das klappt sogar mit ganz normalen Speicherkarten, der Zwischenspeicher der D4S ist recht groß. Extrem schnelle und damit teure Speicherkarten, braucht die D4S nur dann, wenn man mehrere lange Serien in sehr kurzem Abstand aufnimmt. Der Akku der D4S ist ebenfalls gigantisch: Im Test war erst am Ende des zweiten Shootingtags ein Nachladen notwendig.
Der neue Nikon-Bildprozessor Expeed 4 mit weiter optimierter Rauschunterdrückung und großem Dynamikumfang beschert der Nikon D4s jetzt einen ISO-Auto-Bereich von ISO 100 bis zum neuen Rekordwert von ISO 409.600, wobei die Obergrenze vorwählbar ist. Wie weit dies Sinn macht, mögen jene beurteilen die solche Einstellungen tatsächlich benötigen. Wir sind mit 12 000 Iso ausgekommen und das nur in einem verlassenen Tunnel der gesperrten Kerry Railroad, den wir abenteuerlich erklommen haben. Ebenso abenteuerlich war unsere Überfahrt zu den vorgelagerten Skellig Islands in einem kleinen Fischerboot für 10 Mann. Als Spielball der Wellen des Atlantiks mit seitlichen Gischtgüssen aus Salzwasser und Regenschauern von Oben noch schnell zwischen tief fliegenden Basstölpeln und springenden Delphinen Motiventscheidungen zu treffen, nicht über Bord zu gehen oder sich der Seekrankheit hinzugeben war mehr Herausforderung an den Fotografen als an die Kamera, welche stetig ihren Dienst tat.
Die Nikon D4S ist eine echte Profikamera: Superschnell und mit Super-Bildqualität. Der Bildsensor ist höchst lichtempfindlich – ideal für Action-Aufnahmen bei schlechtem Licht. Ebenfalls top: Nikons Topmodell steckt einen Regenschauer klanglos weg, der Akku hält fast schon ewig. Damit holt sich die D4S einen Platz ganz oben in der Bestenliste der Kleinbildkameras. Schade nur, dass sie ziemlich teuer ist, aber gute Qualität hat nun mal Ihren Preis.
Fotos Galerie Eric Berger